Ein Buch erinnert an die „Donauwiese“

Allen, die sich noch an das Überschwemmungsgebiet erinnern können, aber auch all jenen, die wissen wollen, was „vor der Donauinsel war“, sei ein Buch empfohlen, das 2019 im Verlag Winkler-Hermaden erschienen ist:

„Die Donauwiese. Das Inundationsgebiet – Ein verschwundenes Wahrzeichen“ von Matthias Marschik.

Dr. Matthias Marschik, Historiker und Kulturwissenschaftler, Lehrbeauftragter an mehreren Universitäten und im 21. Bezirk wohnend, zeigte bei der Buchpräsentation am 6. Mai 2019 im Bezirksmuseum Floridsdorf, wie er sich dem Phänomen „Donauwiese“, das er bereits in seiner Kindheit als „Abenteuerspielplatz“ kennengelernt hatte, von verschiedensten Seiten angenähert hat.


Dr. Matthias Marschik (l.) bei der Präsentation seines Buches im Bezirksmuseum Floridsdorf am 6. Mai 2019 (Fotos: G. Jordan).

Entstanden im Zuge der Donauregulierung 1870-75, sollte der 475 Meter breite Wiesenstreifen am linken Ufer des neuen Strombettes die Stadt Wien vor Überschwemmungen schützen, indem er die Wassermassen bis zum Hubertusdamm aufnehmen sollte. Dies gelang zwar nur zum Teil – es kam auch danach noch zu legendären Hochwässern wie jenem im Jahr 1954 -, doch in den rund 100 Jahren ihres Bestehens wurde die über sechs Quadratkilometer große Fläche zu einem (nicht kommerziellen) Erholungsgebiet, welches sich die Bevölkerung auf verschiedenste Weise „aneignete“.

Der Autor schildert die Landschaft, die weit über ein bloße Wiese hinausging, und behandelt zahlreiche Aspekte wie Brücken, Verkehr (vom Dampfschiff bis zum Segelflugzeug), Auswirkungen der Hochwässer, Planungen (inklusive nicht realisierter) usw. bis zu den vielfältigen Arten der Freizeitgestaltung und der Donauwiese als Treffpunkt unterschiedlichster „Kulturen“.

Das „Ende“ des Inundationsgebiets kam mit der Schaffung der heutigen „Neuen Donau“ und Donauinsel in den Jahren 1973-87;  nur „an einem nebeligen Novembernachmittag auf der fast menschenleeren Insel“, so schreibt Marschik, könne man „noch ein wenig von der damaligen Atmosphäre erschnuppern“…

Das Buch – mit zahlreichen historischen Fotos aus unterschiedlichen Quellen – eignet sich auch gut als Weihnachtsgeschenk.

Gerhard Jordan

 

Geschichten mit Donaufeld-Bezug von Agnes Bernhart

Zu den in letzter Zeit erschienenen Werken mit Floridsdorf-Bezug gesellt sich eine interessante Neu-Erscheinung:  das Buch „einst & jetzt. Omageschichten aus Floridsdorf“ von Agnes Bernhart.

Die Autorin, gelernte Fotografin, Religionslehrerin i.R. und ehrenamtliche Mitarbeiterin des Bezirksmuseums Floridsdorf, schildert darin auf humorvolle Weise autobiografische Erinnerungen, die einen sehr starken Donaufeld-Lokalbezug haben. Frau Bernhart hat einen Teil ihrer Kindheit und Jugend bei ihrer Tante in der Siedlung zwischen Donaufelder Straße und Nordmanngasse verbracht und beschreibt das damalige Leben aus ihrer Sicht.
Einzelne „Grätzl“ und Gebäude wie sie damals aussahen und was heute dort ist laden zu einem Vergleich ein.

Die Grünen Floridsdorf laden zu einer LESUNG MIT AGNES BERNHART aus ihrem Buch.

Wann?  –  Donnerstag, 21. März 2019,  18:30 Uhr.

Wo? –  Nordmanngasse 25-27 („Autofreie Mustersiedlung“), Salon „Aquarium“ im Hof.  Erreichbarkeit:  Beim Eingang Donaufelder Straße 50 am Spielplatz vorbei. Karte

 


Autorin Agnes Bernhart  (Foto: privat).

Auf den Spuren des Februar-Aufstands 1934 in Floridsdorf

Die „Überparteiliche Gedenkplattform Transdanubien“, die seit 2012 alljährlich Aktivitäten zur Erinnerung an Ereignisse der jüngeren Vergangenheit mit Schwerpunkt auf die Bezirke 21 und 22 setzt, beging den 85. Jahrestag des Februar-Aufstands 1934 mit einer Gedenkwanderung am 10. Februar 2019, bei der der Historiker Dr. Kurt Bauer zu Schauplätzen der Februar-Kämpfe in Floridsdorf führte.
Rund 100 Interessierte nahmen an der Veranstaltung teil, und auch die anschließende – teils kontroverse – Diskussion war gut besucht.

Im Kreis der TeilnehmerInnen spiegelte sich die Breite der Überparteilichen Gedenkplattform:  SPÖ-Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Ilse Fitzbauer, die Klubobleute der Grünen aus Floridsdorf und Donaustadt (Mit-OrganisatorInnen Heinz Berger und Heidi Sequenz), die Klubobfrau der NEOS Floridsdorf (Monika Ruschka), die SprecherInnen der KPÖ Floridsdorf und Donaustadt – um nur einige aus der Politik zu nennen, diesmal besonders viele HistorikerInnen von verschiedenen akademischen Einrichtungen und aus der Zivilgesellschaft sowie zahlreiche engagierte und interessierte BürgerInnen.

 
Rund 100 Interessierte versammelten sich vor dem Bahnhof Floridsdorf, um am Gedenkrundgang teilzunehmen (Fotos: G. Jordan).


Vor dem heutigen „Haus der Begegnung“, an dessen Stelle sich 1934 das Floridsdorfer Arbeiterheim befand.


Blick über die Angererstraße zum damals umkämpften Gebäude des ehemaligen Nordbahnhofs (in der Mitte); auf der Eisenbahnbrücke (rechts) war ein Scharfschütze des Schutzbunds postiert.

Kurt Bauer hat in seinem zum Jahreswechsel 2018/19 erschienenen Buch „Der Februar Aufstand 1934. Fakten und Mythen“ die Ereignisse vom 12. bis 14. Februar detailliert aufgearbeitet und versucht, alle Todesopfer – jene des sozialdemokratischen Schutzbunds, der Exekutive bzw. Truppen des Regimes und rechter Verbände wie Heimwehr sowie unbeteiligter Personen – namentlich zu erfassen und ist dabei auf 357 Personen gekommen.
Die härtesten Kämpfe spielten sich in Floridsdorf ab, wo auch die meisten Toten zu beklagen waren.


Das Polizeikommissariat Ecke Hermann-Bahr-Straße (Bild oben, links) konnte von den Aufständischen nicht eingenommen werden, das 1924 errichtete Gebäude der Feuerwache in der heutigen Weisselgasse (Bildmitte) wurde hingegen am 13. Februar 1934 von einem Polizeitrupp gestürmt.


Bei dem 1964 errichteten Denkmal für den am 15. Februar 1934 hingerichteten Schutzbund-Führer und Feuerwehr-Angehörigen Ing. Georg Weissel an der Prager Straße. Auch die 1958/59 von der „Sozialbau AG“ errichtete Genossenschafts-Wohnanlage in der Gerichtsgasse ist nach Weissel benannt.


Auch um die Straßenbahnremise in der Gerichtsgasse gab es Gefechte.


Im Dachbereich des 1925/26 errichteten „Schlingerhof“, Ecke Brünner Straße, waren MG-Schützen postiert. Am 13. Februar gegen Mittag wurde der Gemeindebau von Artillerie beschossen und eingenommen. Im Zuge des Abtransports von 350 Gefangenen wurden bei Schießereien mehrere Menschen getötet. (Auf dem Bild ist über dem „Tabak Trafik“-Symbol die Stelle zu sehen, an der jahrzehntelang – bis zu ihrer Versetzung – eine Gedenktafel für die Februar-Opfer angebracht war.)

Bei der Diskussion in den Räumlichkeiten der Gebietsbetreuung „GB*nord“ sprach Heinz Berger, Historiker und Mitbegründer der Gedenkplattform, einleitende Worte, in denen er auf die Mythenbildung und auf die Rezeption des Februar 1934 hinwies und auf den Zustand der damaligen gespaltenen Gesellschaft, der es total an Zusammenhalt fehlte.


In den Räumlichkeiten der Gebietsbetreuung wurde lebhaft diskutiert. (Bild unten: Heinz Berger mit dem Buchautor Kurt Bauer)

Kurt Bauer formulierte seine Thesen, u.a.
– dass durch das Vorgehen im Februar 1934 maßgeblich dem späteren „Anschluss“ an das Dritte Reich 1938 in die Hände gespielt wurde;
– dass „der einzige Sieger Adolf Hitler war“;
– dass das (von der sozialdemokratischen SDAP, deren stv. Vorsitzender Otto Bauer eine zwiespältige Haltung einnahm, ausgeschlagene) Koalitionsangebot des christlichsozialen Bundeskanzlers Seipel im Jahr 1931 vielleicht die letzte Chance war, die Demokratie zu retten;
– dass Engelbert Dollfuß, Kanzler ab 1932, immer mehr unter den Einfluss des italienischen Faschistenführers Mussolini geriet und ab 1933 zunehmend diktatorisch herrschte;
– und dass unter den Todesopfern ZivilistInnen, die sich nicht an den Kämpfen beteiligt hatten, die größte Gruppe stellten.

In der lebhaften Diskussion gab es auch Kritik an der Verwendung interner Polizeiberichte bei Bauers Recherchen. Eine Teilnehmerin, deren Vater selbst an den Kämpfen im Schlingerhof beteiligt war, wies den Begriff „Aufrührer“ zurück und wies darauf hin, dass die Arbeiterschaft 1934 den ersten offenen Widerstand gegen den aufkeimenden Faschismus in Europa geleistet habe und gar keine andere Wahl hatte, als sich gegen die Provokationen des Dollfuß-Regimes zu wehren.

Ein anderer Diskussionsteilnehmer, der aus bäuerlichem Milieu stammt und dessen Vater 1934 auf Seiten des Bundesheers beim Karl-Marx-Hof gestanden war, merkte an, dass die Situation auf dem Land völlig anders war als in den industriell geprägten Städten (Kurt Bauer ergänzte, dass die Kämpfe beim „Juliputsch“ 1934 der Nazis weitgehend auf dem Land stattfanden).

Es wurde auch die Frage gestellt, ob es sich beim Februar 1934 um einen „Bürgerkrieg“ oder um einen „Aufstand“ gehandelt habe. Kurt Bauer hatte früher selbst den Ausdruck „Bürgerkrieg“ verwendet, sieht dies aber heute nicht mehr so:  Es gab relativ wenige Tote (357 in ganz Österreich, davon 76 in Floridsdorf), kein geschlossenes von den Aufständischen kontrolliertes Territorium (lediglich einige Wohnsiedlungen und Gebäude der ArbeiterInnenbewegung) und die Kämpfe waren nicht lang andauernd, sondern im Wesentlichen nach zwei Tagen vorbei.

Zur Frage der Spaltung der Gesellschaft und der Zunahme autoritärer Tendenzen heute (von Ländern wie Ungarn und Polen bis hin zu USA, Philippinen oder Brasilien) meinte Kurt Bauer, dass die Situation mit den 1930er-Jahren nicht vergleichbar sei:  Damals betrug der Arbeitslosen-Anteil in Floridsdorf – ebenso wie unter den Februar-Opfern – rund 40%, die Not war erdrückend und führte zu Demoralisierung. Die soziale Situation sei heute wesentlich besser, Österreich hat einen funktionierenden Verfassungsgerichtshof und es finden keine bewaffneten Aufmärsche und Auseinandersetzungen statt. Der Februar 1934 müsse historisch betrachtet werden.

In weiteren Diskussionsbeiträgen wurden die „1918 verlorene Räterepublik“, das „Kapital als Gewinner der gesellschaftlichen Spaltung“ und die Frage, ob „Widerstand leisten“ nur mit Waffengewalt oder auch anders möglich sei, zur Sprache gebracht.

Auch die Frage, warum die Gedenktafel für die Februarkämpfer, die um 1947 vom (kommunistischen) Arbeiterbetriebsrat des Austro-Fiat-Werks an der Ecke Brünner Straße/Floridsdorfer Markt angebracht worden war, vor Jahren entfernt und an die weniger sichtbare Ostseite des Schlingerhofs – bei Stiege 18 – versetzt worden war, wurde gestellt (und konnte leider nicht beantwortet werden).

 Gerhard Jordan


Die früher an der Ecke zur Brünner Straße angebrachte Gedenktafel an ihrem heutigen Platz an der Ostseite des Schlingerhofs.

10.2.: Gedenkrundgang zum Februar-Aufstand 1934

Die Überparteiliche Gedenkplattform Transdanubien, die seit 2012 alljährlich Aktivitäten setzt, lädt zu einem Gedenk-Rundgang anlässlich des 85. Jahrestags des Februar-Aufstands 1934, der eines seiner Zentren im 21. Wiener Gemeindebezirk hatte, ein.

Der Historiker Dr. Kurt Bauer, Autor des Buches „Der Februar Aufstand 1934. Fakten und Mythen (Böhlau Verlag, 2019), führt zu einigen der damaligen Schauplätze.

Im Anschluss findet eine Diskussion im Lokal der Gebietsbetreuung im Schlingerhof statt.

Treffpunkt:  10. Februar 2019,  15 Uhr, Franz-Jonas-Platz.

 

EINLADUNG:

 


Denkmal für Brandoberkommissär Ing. Georg Weissel (Ecke Prager Straße/Gerichtsgasse, entworfen vom Floridsdorfer Bildhauer Karl Nieschlag und errichtet 1964), der am 15. Februar 1934 vom Dollfuß-Regime hingerichtet wurde.  (Foto u. folgende drei: G. Jordan).


Der ehemalige Bahnhof Floridsdorf (Nordbahnanlage 9) heute. Am 13. und 14. Februar 1934 war das im Bezirksteil Donaufeld gelegene Gebäude heftig umkämpft.


Der am 13.2.1934 von Artillerie beschossene Gemeindebau „Schlingerhof“ heute.

 


Das Lokal der Gebietsbetreuung „GB*nord“, 2018 in einem ehemaligen Gasthaus im Schlingerhof eröffnet.


Das neu erschienene Buch von Kurt Bauer über den Februar-Aufstand.

 

 

 

Floridsdorf-Tipps

Zwei interessante Neu-Erscheinungen befassen sich auf kritisch-originelle Weise mit dem 21. Bezirk und seinen sehens- und hörenswerten Seiten.

TIPP  1

Am 6. November 2017 wurde im Gasthaus Birner das vom Aktionsradius Augarten in der Reihe StadtFlanerien Wien herausgegebene HÖRBUCH FLORIDSDORF präsentiert.

Auf rund 68 Minuten gibt es allgemeine Infos und Fakten über den Bezirk (gesprochen von der Projekt-Initiatorin Carola Timmel) und dazwischen Interviews mit in Floridsdorf aufgewachsenen Persönlichkeiten sowie einige Auszüge aus Liedern, in denen ein Bezirksbezug vorkommt – z.B. von Ernst Molden („De Beag“ – Bisamberg), Willi Resetarits („Floridsdorfer Bahnhof“ – Franz-Jonas-Platz) oder dem Nino aus Wien („Am heißesten Tag des Sommers“ – Alte Donau).


Carola Timmel, Initiatorin der „Hörbuch-Reihe“, und Uschi Schreiber vom „Aktionsradius Augarten“ bei der Präsentation im Gasthaus Birner am 6. November 2017  (Fotos: Gerhard Jordan).

Die älteste interviewte „Zeitzeugin“ ist die 88-jährige Christiane Schönborn-Buchheim, Tochter von Manfred Mautner-Markhof, die im Gebäude des heutigen Bezirksmuseums aufgewachsen  ist und sich an die damals dort befindliche Brauerei St. Georg erinnert.
Inputs gibt es auch über die Industriegeschichte Floridsdorfs (Historiker Hans Hautmann), den Weinbau (Winzer Peter Ullreich), die Flora und Fauna des Bisambergs (Landschaftsplaner Heinz Wiesbauer), die Veränderung des Stadtbildes und den „Identifikationspunkt Donau“ (Zirkuspädagogin Ruth Schleicher), den Floridsdorfer Fußball (Trainer Peter Pacult) und über die Geschichte des Bruckhaufens der einst eine Mülldeponie war (von Willi Resetarits, der dort aufwuchs).

Ein weiteres Interview aus dem „Hörbuch“ – jenes mit dem Musikproduzenten Stefan Redelsteiner, der u.a. den „Nino aus Wien“ (der seine Wurzeln im 22. Bezirk hat) entdeckte – wurde auch bei der Präsentation im Gasthaus Birner „live“ geführt. Stefan Redelsteiner, geb. 1982, wuchs in Großjedlersdorf auf. Seine Kindheitserinnerungen sind positiv – vor allem wegen der vielen Grün- und Freiflächen die es gab -, dies ändert sich jedoch mit dem Teenager-Alter, als der Mangel an „guten Fortgehlokalen“ und für Jugendliche interessanten „Szene-Hot spots“ merkbar wurde. Mit 20 Jahren kehrte er Floridsdorf den Rücken. Heute lebt er im 5. Bezirk und merkt bei jedem Besuch, dass sich wieder irgendwo ein großes Stück verändert hat.
Interessant auch das anschließende Gespräch von Uschi Schreiber (Aktionsradius Augarten) mit Nino, den sie in den 1990er-Jahren, als das „Kulturnetz“, bei dem sie damals tätig war, im Stadterweiterungsgebiet Süßenbrunner Straße Veranstaltungen organisierte, erstmals traf (er war damals noch ein Kind).


Höhepunkt des Abends:  Der Auftritt des „Nino aus Wien“.

 

TIPP 2

Am 14. November 2017 stellte der im Gemeindebau Autokaderstraße aufgewachsene und heute in Großjedlersdorf wohnende Journalist Mag. Uwe Mauch im voll besetzten Festsaal des Amtshauses sein Buch DAS ALTE FLORIDSDORF (Edition Winkler-Hermaden) vor, in dem er historische Fotos – großteils aus dem Fundus des Bezirksmuseums – mit aktuellen und höchst interessanten Erklärungen versehen hat.


Uwe Mauch mit dem Cover seines Floridsdorf-Buchs bei der Präsentation am 14. November 2017.

In seiner Präsentation erwähnte er den aus Niedersachsen stammenden Statthalter Erich von Kielmannsegg (dessen Vision im ausgehenden 19. Jahrhundert die „Niederösterreichische Landeshauptstadt Floridsdorf“ war) und verschiedene wenig bekannte Fakten über den 21. Bezirk. Viele davon – z.B. dass der jüdische Fußballverein „Hakoah“ von 1909-1922 bei der Alten Donau spielte – sind in dem 96-seitigen Buch zu finden.
Hervorzuheben ist, dass sich die Texte von Uwe Mauch – etwa in den Kapiteln „Straßen.Züge“ oder „Kultur.Gut“ – durch ihre kritische Herangehensweise von einigen „konventionell-heimatkundlichen“ positiv abheben.

Bei der Buchpräsentation sprach auch der in der Schwarzlackenau wohnende Historiker und Kulturwissenschafter Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik.
Er stellte fest, dass JournalistInnen aus „Zentral-Wien“ oft über Floridsdorf Stereotype verbreiten, ohne den Bezirk zu kennen und kritisierte das „Flach-Machen der Flächenbezirke“. Seine Feststellung „Wir sind eigentlich Cisdanubien“ zeugt jedenfalls von einem selbstbewussten Herangehen an die Lokalgeschichte.


Im Gespräch mit dem Historiker Dr. Matthias Marschik.

Beide hier vorgestellten Werke können in der  Buchhandlung Am Spitz  erworben werden.

Vor 70 Jahren: Transdanubien ist befreit!

Am 13. April 1945 war es so weit: was 1938, nach dem „Anschluss“, mit sogenannten „Reibepartien“ am Spitz oder vor dem damaligen Arbeiterheim beim Bahnhof nahe der Angerer Straße, mit antisemitischen Schmierereien à la „Reif für Dachau“ auf jüdisch geführten Geschäften in der Floridsdorfer Hauptstraße und mit dem Entfernen jüdischer Kinder aus Schulklassen begann, endete in einem blutigen Zusammenbruch – mit dem Erschießen von Deserteuren am Bruckhaufen, mit dem Aufhängen von sogenannten „Verrätern“ vor dem Floridsdorfer Amtshaus (Biedermann, Huth, Raschke), mit Todesmärschen aus den KZ-Außenlagern an der Brünner und Prager Straße und mit mutwilligen Zerstörungen der Stadt durch Wehrmacht und Waffen-SS.

Als die Rote Armee die Donau überschritt und die Einkreisung drohte, zogen die Nazis schließlich vom Bisamberg ab und das teilweise in Trümmern liegende Wien war befreit.
An diese Befreiung Wiens und Transdanubiens vor 70 Jahren erinnerte die Gedenkplattform Transdanubien mit einer
Gedenk-Wanderung am 12. April 2015.

Die Veranstaltung, an der rund 40-50 Interessierte teilnahmen, startete im Donaupark bei der dortigen (1984 errichteten) Gedenkstätte für die Opfer der NS-Militärjustiz. Heidi Sequenz, Bezirksrätin der Grünen Donaustadt, stellte die aus AktivistInnen verschiedener politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Gruppen bestehende Überparteiliche Gedenk-Plattform vor und erklärte, warum die VeranstalterInnen nach den beiden Kundgebungen zum Jahrestag des „Anschlusses“ in den Jahren   2012  und  2013  und nach einer  Lesung  eines (in Donaufeld aufgewachsenen) Buchautors der als Kleinkind dem Holocaust entging im Jahr 2014 diesmal eine Gedenkwanderung gewählt hatten.  Johann Höllisch von der KPÖ Donaustadt erinnerte an die zahlreichen Menschen, die in der einst südlich der Alten Donau am Bruckhaufen befindlichen Militärschießstätte hingerichtet wurden – etwa die beiden Feuerwehrleute Hermann Plackholm und Johann Zak. Für Wehrmachts-Deserteure, von denen viele ebenfalls hier exekutiert wurden, gibt es seit 2014 erfreulicherweise das zentrale Denkmal auf dem Ballhausplatz.

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Die Donaustädter OrganisatorInnen Heidi Sequenz (2. von links) und Johann Höllisch (3. von rechts).  Fotos: Birgit Meinhard-Schiebel.

Vom 22. Bezirk ging es weiter in den 21. Bezirk, wo der forensische Archäologe Mag. Thomas Pototschnig Informationen zu einigen der Stätten des Nazi-Terrors lieferte. Er hat dazu umfangreiche Recherchen angestellt – mit Akten, Zeugenaussagen, Luftbildern und freigelegtem Material wie Mauerresten etc.
Zu diesem Aspekt der Geschichte ist noch sehr wenig erforscht, und fast wöchentlich ergeben sich neue Erkenntnisse.

Bei der ersten Floridsdorfer Station in der Hopfengasse erwähnte Pototschnig zunächst das nahe gelegene Lager Prager Straße, das sich zwischen Kammelweg, Rudolf-Virchow-Straße und Prager Straße befand (heute stehen dort Wohnanlagen, die um 2006/07 errichtet wurden). Von Juli 1944 bis April 1945 waren dort Zwangsarbeiter untergebracht, die für die Rüstung arbeiten mussten (z.B. für die Akkumulatorenfabrik AFA). Nicht sicher ist, ob es sich um das Lager „Nordpol“ gehandelt haben könnte, dessen genaue Lage noch nicht gesichert ist.

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Mag. Thomas Pototschnig (rechts), daneben der Floridsdorfer Mit-Organisator Heinz Berger (Verkehrsinitiative Donaufeld).

In der Hopfengasse befand sich eines der Wiener Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen. Fallweise wurde es als „Lager Jedlesee“ bezeichnet, manchmal als „Lager Julius“. Es wurde Mitte Juli 1944 eingerichtet und war eines der Hauptlager in Wien. Die Anzahl der Häftlinge lässt sich nicht genau bestimmen, gemeinsam mit den Lagern Schwechat und Hinterbrühl (heutige „Seegrotte“) lag die Gesamtzahl im Frühjahr 1945 bei ca. 2.700 Personen. In Jedlesee wurden für das Heinkel-Werk Flugzeugmotoren produziert (eine 1944 bombardierte Produktionsstätte im Herrenholz auf dem Bisamberg wurde ebenfalls hierher verlegt). Während sich die Baracken, also der Internierungsbereich, etwa an der Stelle der heute dem FAC-Platz benachbarten Tennisplätze befanden (1945 wurden sie aus hygienischen Gründen von den Alliierten abgebrannt), wurde gegenüber, in den unterirdischen Kellern der 1930/31 stillgelegten Jedleseer Brauerei, die zuvor u.a. für eine Champignonzucht verwendet wurden, gearbeitet. Heute befindet sich an der Stelle die Einfahrt zur Tiefgarage einer Genossenschaftswohnanlage aus den späten 1980er-Jahren. Das Tor zum Barackenlager (wahrscheinlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Eingangstor eines Hofes zum Einstellen von Fuhrwerken errichtet) ist heute noch zu sehen und wurde von der Firma Kadlez, deren Eingang zum Grillhaus sich gleich nebenan befindet, freigelegt (davor befand sich eine Plakatwand) und saniert – was sehr begrüßenswert und anzuerkennen ist, zumal anderswo oft noch das Vertuschen und Verschweigen vorherrschen.

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Hopfengasse 8:  Das ehemalige Tor zum KZ-Außenlager Jedlesee erinnert an die Gräuel.

Am 1. April 1945 wurde das Lager geräumt, wobei am Vortag vermutlich 54 Kranke und Schwache ermordet wurden. Bei dem Fußmarsch Richtung Mauthausen kamen dann weitere 204 Häftlinge um.

Nach einigen Fragen und einer Diskussion über die Frage der Verantwortung führte die Gedenk-Wanderung weiter über die Prager Straße zum ehemaligen Gelände der Firma Mautner-Markhof, zu der rund um den Bereich der heutigen Nordbrücken-Abfahrt einige Gebäude (wie das heutige Bezirksmuseum und als ältestes die Villa Prager Straße 20, in dem sich heute die Zentrale des Vereins Wiener Jugendzentren befindet) und Betriebe (z.B. die Brauerei St. Georg) gehörten. Auch hier waren Zwangsarbeiter untergebracht, die von September 1944 bis März 1945 beim Bau des noch heute an der Gerichtsgasse stehenden Hochbunkers Sklavenarbeit leisten mussten. Dies weiß man auf Grund von Tagebuchaufzeichnungen eines ungarischen Juden, József Bihari (ermordet am 3. Mai 1945), aus denen Thomas Pototschnig einige berührende und erschütternde Stellen vorlas.

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Thomas Pototschnig mit Unterlagen zur Prager Straße 20.  Links im Hintergrund der Hochbunker in der Gerichtsgasse.

Die letzte Station bildete der im Mai 2000 vom Verein „Niemals vergessen“ errichtete Gedenkstein vor dem Bezirksmuseum in der Prager Straße 33, der an die Opfer der auf Floridsdorfer Boden befindlichen KZ-Nebenlager erinnert.

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Beim „Niemals vergessen“-Gedenkstein vor dem Bezirksmuseum Floridsdorf.  Foto: Heinz Berger.

Gerhard Jordan, Bezirksrat der Grünen Floridsdorf, erinnerte daran, dass 1945 gerade in Transdanubien die meisten BewohnerInnen von den Gräueltaten der Nazis gewusst haben mussten, wenn ZwangsarbeiterInnen täglich zu den vielen Rüstungs-relevanten Betrieben geführt wurden und wenn schließlich die Todesmärsche nach Mauthausen direkt auf den Hauptstraßen verliefen. Umso wichtiger sei es, die Geschehnisse aufzuarbeiten und darüber zu sprechen, wobei die Bemühungen von Forschern wie Thomas Pototschnig ganz wichtig und wertvoll seien.

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Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Ilse Fitzbauer und Bezirksrat Gerhard Jordan aus Floridsdorf.

Ilse Fitzbauer, Bezirksvorsteher-Stellvertreterin von Floridsdorf (SPÖ), selbst aus einer Familie die Verfolgung und Widerstand erlebt hatte stammend, sprach über mehrere Aktivitäten, die die Bezirksvertretung und die sozialdemokratischen Freiheitskämpfer gegen den Faschismus und zum Gedenken an die Opfer gesetzt hatten.

Nach der Niederlegung eines Kranzes und einer Gedenkminute hatten die TeilnehmerInnen noch die Möglichkeit, die Ausstellung „Schauplatz Floridsdorf 1938-1945. Krieg, Leid, Zerstörung“ im Bezirksmuseum zu besuchen, in der das Jahr 1945 in zwei Räumen behandelt wurde – in einem mit Informationen über Verfolgung und Vernichtung seitens des NS-Regimes, und in einem mit der Dokumentation der Bombenangriffe und der Bemühungen der Zivilbevölkerung, sich vor diesen zu schützen.

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Von links nach rechts:  Archäologe Thomas Pototschnig, Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Ilse Fitzbauer sowie die OrganisatorInnen Heinz Berger, Gerhard Jordan (beide Floridsdorf), Heidi Sequenz, Johann Höllisch und Franz Wagner (alle drei Donaustadt) von der „Überparteilichen Plattform“ mit dem Kranz vor dem Bezirksmuseum Floridsdorf.

Es ist schwer zu glauben, dass es heute noch immer Menschen gibt, die 1945 nicht als Befreiung sondern als Niederlage empfinden – dem durch Aufklärung entgegenzuwirken ist eine der Aufgaben, die sich die Gedenkplattform Transdanubien gesetzt hat und auch weiterhin setzen wird.

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TeilnehmerInnen bei der Abschluss-Kundgebung, unter ihnen die grüne Wiener Gemeinderats-Kandidatin Birgit Meinhard-Schiebel (2. von links).  Foto: Heinz Berger.


BUCHTIPP:

Das Buch „Verdrängte Geschichte. Schauplätze des Naziterrors in Österreich“ von Peter Schubert  (Verlag Mayer & Comp, Klosterneuburg, o. J.)  liefert auf 168 Seiten detaillierte Informationen zu Orten in ganz Österreich, an denen bekannte, öfter aber noch bis jetzt kaum bekannte Taten passiert sind – die manchmal Jahrzehnte lang verschwiegen wurden.
Allein aus Transdanubien, also den Bezirken 21 und 22, sind mehr als zwei Dutzend Adressen angeführt!
Der Historiker Dr. Peter Schubert hat auch 2005 mit dem Buch „Schauplätze der Geschichte: Floridsdorf 1905-1955“ einen interessanten Beitrag zur differenzierteren Sicht der (lokalen) Vergangenheit geleistet.

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Orte der Roma und Sinti in Donaufeld

Am 12. Februar 2015 wurde im Wien Museum am Karlsplatz 8 die äußerst sehenswerte Ausstellung „Romane Thana – Orte der Roma und Sinti eröffnet. Sie wurde vom Wien Museum in Kooperation mit dem Landesmuseum Burgenland, der Initiative Minderheiten und dem 1991 gegründeten Verein Romano Centro gestaltet.

WienMuseumKarlsplatz8mitAusstellungsplakatRomaneThana_Maerz2015

Gezeigt werden historische Orte, Orte des Zusammenlebens, der Emanzipation und der Verfolgung von Roma, Sinti und Lovara. Neben Informationen über den Genozid in der Nazizeit und die Diskriminierung davor und danach, über die Selbstorganisation (seit 1993 sind die österreichischen Roma als Volksgruppe anerkannt), über die Geschichte der Burgenländischen Roma, über die sogenannte „Gastarbeiter“-Migration nach Österreich (besonders Wien) ab den 1960er-Jahren und über die heutige Lebens- und Arbeitswelt sind vor allem die Beiträge und „Selbst-Zeugnisse“ von AutorInnen aus den Roma-Communities erwähnenswert, die zahlreiche private Fotos (und auch gemalte Bilder von Angehörigen, die den Holocaust überlebt hatten) zur Verfügung gestellt und am Ausstellungskatalog mitgewirkt haben.

Der Bezug zu Donaufeld

Für Donaufeld besonders interessant sind die Recherchen des 1966 geborenen, aus einer Lovara-Familie stammenden Musikers Willi S. Horvath, der die „verschwundenen Höfe der Lovara“ in Floridsdorf in Erinnerung ruft. Ein Tisch mit einer Landkarte des Mühlschüttels und Fotos die rund um diese gruppiert sind zeigt die Bezugsorte in der Ausstellung anschaulich. Die Lovara kamen ursprünglich als Pferdehändler aus Ungarn und ein großer Teil von ihnen lebte (und lebt) im 21. Bezirk. Von den 1950er-Jahren bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts waren viele auch als Marktfahrer im Teppichhandel tätig. Viele ihrer Treffpunkte wie etwa das Gasthaus Birner und das Café Fichtl waren auch solche der Nicht-Roma.

Während Sinti auf dem Bruckhaufen lebten, war der Mühlschüttel – vor allem der Ringelseeplatz und seine Umgebung (dort befand sich früher auch der alte Fußballplatz des SR Donaufeld; heute umgeben ihn Gemeindebauten, das Floridsdorfer Hallenbad und Schulen) – ein Treffpunkt der Lovara, die den Holocaust überlebt hatten. Dies verstärkte sich nach 1956, als zu den dortigen Wohnwägen auch solche mit Flüchtlingen aus Ungarn hinzu kamen.  Zahlreiche historische Fotos vom Ringelseeplatz, die in der Ausstellung zu sehen sind, stammen aus der Sammlung des 1939 geborenen Mozes F. Heinschink, der einen unschätzbaren Beitrag zur Erforschung der Sprachen und Lieder der Roma, Sinti und Lovara geleistet hat.

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Der Ringelseeplatz heute, Blick nach Westen. (Foto: G. Jordan)

Der Mühlschüttel an der Alten Donau, einst von Schiffsmüllern besiedelt, war ein günstiger Siedlungsraum auch für die Lovara, weil er genügend Platz für Stallungen bot, und in der Nähe des sowohl des Stadtzentrums als auch zu den umliegenden Dörfern lag.  Doch leider:  an den in der Ausstellung dokumentierten Adressen, wo sich Lovara trafen – etwa in der Mühlschüttelgasse 31-33, in der Leopoldauer Straße 58, in der Floridusgasse 43, in der Patrizigasse 7 oder in der Franklinstraße – erinnert heute nichts mehr an diese. Die alten Fuhrwerkerhäuser und die einst viel besuchten Gehöfte sind verschwunden, zumeist stehen dort Wohnanlagen neueren Datums.

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„Verschwundene“ Orte der Lovara:  Mühlschüttelgasse 31-33 (oben) war von ca. 1920 bis 1957 Treffpunkt der Großfamilien Erdely/Nitsch und Stojka/Horvath.  Nach dem Zweiten Weltkrieg, bis 1957, war dies auch die Franklinstraße 40 (damalige Nummerierung, unten). Das Grundstück wurde an die Gemeinde Wien verkauft, heute steht dort ein Schulzentrum.  (Fotos: G. Jordan)

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Zahlreiche Fotos stammen auch von der für die österreichische Kultur bedeutenden Lovara-Familie Stojka, u.a. von der KZ-Überlebenden, späteren Marktfahrerin und schließlich Künstlerin  Ceija Stojka (1933-2013),  die in den 1980er-Jahren als erste Romni mit einem Buch über ihre Erinnerungen an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Dass es heute einen Lovaraweg, einen Sintiweg und einen Roma-Platz auf dem Bruckhaufen gibt (mit schönem Blick über die Alte Donau zum Mühlschüttel), war eine Würdigung dieses Aspektes der Geschichte, die übrigens auf einen Antrag der Grünen in der Floridsdorfer Bezirksvertretung aus dem Jahr 1996 zurückgeht.

LovarawegBenannt2001fotoMai2009

2001 benannt:  Der Lovaraweg (Blick von der Arbeiterstrandbadstraße zur Alten Donau) und der Romaplatz (Blick zum Mühlschüttel mit dem Turm der Donaufelder Kirche) auf dem Bruckhaufen.

RomaplatzSchildMitBlickZumTurmDerDonaufelderKircheFotoJuli2011

Die Ausstellung im „Wien Museum“ ist noch bis 17. Mai 2015 täglich außer Montag von 10-18 Uhr zu sehen.

Gerhard Jordan

BUCHTIPP:
Ausstellungskatalog  „Romane Thana. Orte der Roma und Sinti“  (erschienen im Czernin Verlag, Wien 2015),  254 Seiten.
Preis:  24 Euro,  zu bestellen im Wien Museum.

 

 

Lesung aus Buch mit Erinnerungen an Donaufeld

Ende 2011 bildete sich in „Transdanubien“ eine überparteiliche Plattform von Personen aus verschiedenen weltanschaulichen Zugängen, die es sich zur Aufgabe macht, der Opfer der Nazi-Diktatur zu gedenken. Zweimal, 2012 und 2013, wurde bei Kundgebungen an den Einmarsch der Hitler-Truppen am 12. März 1938 und an die Folgen erinnert. Heuer, 2014, stand der 12. März wieder im Zeichen der Erinnerung – allerdings in etwas anderer Form: Die „Gedenkplattform Transdanubien“ lud zu einer Lesung ins Gasthaus Birner, zu der über 80 Interessierte kamen.

Peter Weinberger präsentierte sein 2013 erschienenes Buch „Wohlgeordnete Einsamkeit“ (Verlag „Österreichisches Literaturforum“), in dem sich zahlreiche Erinnerungen an das Donaufeld der Nachkriegsjahre finden. Der Autor, zuletzt Universitätsprofessor in den USA (und bis 2008 auch an der TU Wien), wurde 1943 geboren. Seine Mutter, Lolla genannt, war eine der wenigen Überlebenden einer großen jüdischen Familie. Die meisten Verwandten kamen in KZ und Vernichtungslagern der Nazis um, sie überlebte gemeinsam mit ihrem Kleinkind die letzten Kriegsjahre versteckt in einem Kloster im Mühlviertel. Peter Weinberger wuchs mit Lolla und seinem Vater, einem Ingenieur und Betriebsleiter, in der Donaufelder Straße 99 auf. Dort befand sich bis 1989 die „Rembrandtin“-Lackfabrik, heute die Wohnanlage „FrauenWerkStadt“. Als Peter Weinberger nach Jahrzehnten wieder die Donaufelder Straße besuchte, fand er kaum noch Stellen, die er aus seiner Kindheit kannte.

Bei seinen Erinnerungen kommt auch immer wieder zum Ausdruck, dass ehemalige Nazis trotz des verlorenen Krieges nach wie vor Einfluss hatten und für ihre Taten nur selten zur Verantwortung gezogen wurden. Bewegend und erschütternd zugleich sind die zahlreichen Briefe von Verwandten (die meisten von seiner Mutter, die 1964 verstarb), aus denen Peter Weinberger auszugsweise las. Sie dokumentieren die Grausamkeit der Nazi-Diktatur, den Schmerz über den Verlust geliebter Menschen und das Bemühen der Überlebenden (die einander, über die Welt verstreut, erst mehr als ein Jahrzehnt nach Kriegsende wieder persönlich treffen konnten), mit ihren Erinnerungen umzugehen.

Die anschließende Diskussion erschöpfte sich somit nicht in „lokalgeschichtlichen Betrachtungen“, sondern es schwang stets auch das Bewusstsein mit, die großen Verbrechen die passiert sind nicht zu vergessen.

G. J.

 

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Autor Peter Weinberger (links), die Wiener Landtagspräsidentin a.D. Erika Stubenvoll (Mitte) und Heinz Berger von der „Gedenkplattform Transdanubien“.

WeinbergerLesungGedenkplattformTransdanubien12maerz2014_PublikumVonOben_FotoHeinzBerger
„Volles Haus“ bei der Lesung im Gasthaus Birner.

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Der Autor beim Signieren seiner Bücher.  Der Erlös des Verkaufes kam der „Volkshilfe“ zu Gute.

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Autor Peter Weinberger (3. v. r.) mit dem Team der „Gedenkplattform Transdanubien“ (v.l.n.r.:  Heinz Berger, Gerhard Jordan, Heidi Sequenz, Hans Höllisch, Gustl Faschang und Franz Wagner).

(Fotos:  Heinz Berger, Heidi Sequenz)