Buchtipps

In den letzten Monaten sind zwei interessante Bücher erschienen, die einen Einblick in die jüngere Geschichte des 21. Bezirks geben.

Wolfgang Fritz: Die Geschichte von Hans und Hedi. Chronik zweier Hinrichtungen

Brigitte Biedermann, Barbara Mader: Floridsdorf 21

Gerhard Jordan hat die beiden Bücher für Sie rezensiert.


Wolfgang Fritz: Die Geschichte von Hans und Hedi. Chronik zweier Hinrichtungen
(Milena Verlag, 2010)

Das Buch schildert das Schicksal des Ehepaars Hans und Hedwig Schneider, die am 2. Dezember 1942 im Wiener Landesgericht von den Nazis enthauptet wurden, weil sie in ihrem Garten eine (kaputte) Abziehmaschine zum Vervielfältigen von Flugblättern aufbewahrt hatten.

Der Autor hat mit der Schwester von Hedi Schneider, Cäcilia Planinger, im Jahr 1988, einige Jahre vor ihrem Tod, ein langes Gespräch geführt und Dokumente erhalten, mit deren Hilfe er das Leben und Sterben von Hans und Hedi Schneider rekonstruiert.

Das Buch erschüttert vielleicht gerade deshalb, weil es – trotz historischer Aufarbeitung vor allem des Funktionieren des terroristischen NS-Justizapparats – sehr einfach geschrieben ist. Einen großen Teil nehmen Briefe von Hans und Hedi im Wortlaut ein. Die beiden sind ein junges Arbeiterehepaar, das seit 1933 in der damals errichteten Erwerbslosensiedlung Leopoldau lebte. Das war die „Vorgängerin“ der heutigen (ab 1966 errichteten) Großfeldsiedlung, sie bestand aus kleinen Hütten und Gärten zur Selbstversorgung. Nur kleine Teile der Großfeldsiedlung, z.B. in der Rieglgasse, erinnern heute noch an diese Zeit.

Hans, der auch an den Februarkämpfen 1934 beim Schlingerhof teilgenommen hatte, kommt 1939 mit einem Mitglied der illegalen KPÖ in Kontakt und willigt ein, einen Vervielfältigungsapparat in seiner Kleingartenhütte einzustellen. Das Abziehen von Flugblättern misslingt, da das Gerät defekt ist. Im April 1940 wird Hans ins „Altreich“ zur Arbeit in einem Rüstungsbetrieb verschickt, kehrt aber, nachdem er schwer erkrankt, wieder nach Wien zurück. Die KPÖ ist inzwischen von Nazi-Spitzeln infiltriert worden und die meisten AktivistInnen werden verhaftet – am 8. Dezember 1941 trifft es Hans und Hedi.

Ihre Gefangenschaft, die Briefe an ihre Verwandten (vor allem an Schwester Cilli) und die darin zum Ausdruck kommenden alltäglichen Sorgen – um den Garten, um die Kinder der Schwester, um die Eltern – bilden den berührendsten Teil des Buches. Bis zuletzt, auch noch nach der Verurteilung zum Tod, hoffen die beiden, dass es noch zu einer Begnadigung kommt.

Doch inzwischen ist das Hitler-Regime nicht mehr mit Stalin verbündet, sondern befindet sich mit der Sowjetunion im Krieg, und langsam zeichnen sich auch bevor stehende Niederlagen ab. Gegen „innere Feinde“ wird rigoros durchgegriffen – und auch ganz einfache Menschen, die mit der Politik nur am Rande zu tun haben, müssen dran glauben.

An Hand von einigen Episoden in dem Buch wird auch anschaulich gezeigt, wie vergiftet durch Denunziantentum die Atmosphäre damals war.

LeserInnen werden nicht umhin kommen, beim letzten Kapitel Empörung zu empfinden – angesichts der Tatsache, wie wenig die richterlichen „Schreibtischmörder“ der NS-Justizmaschinerie nach 1945 zur Verantwortung gezogen wurden.

NACHTRAG:   In der Sitzung des Kultur-Ausschusses des Wiener Gemeinderats am 7. November 2011 wurde beschlossen, die Parkanlage im Bereich Kürschnergasse/Wassermanngasse/Uhlirzgasse (nahe der U1-Station „Großfeldsiedlung“, südlich des Pensionistenwohnhauses) in „Hedwig-und-Johann-Schneider-Park“ zu benennen.

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Brigitte Biedermann, Barbara Mader: Floridsdorf 21
(Metroverlag, 2011)

In Gesprächen mit Prominenten, die in Floridsdorf aufgewachsen sind (Erika Pluhar, Hermann Nitsch, Peter Pacult, Willi Resetarits u.v.a.), zeichnen die beiden Autorinnen ein von vielfältigen Eindrücken geprägtes Bild des 21. Bezirks, in dem wohl alle über 30-jährigen FloridsdorferInnen Teile ihrer Lebensgeschichte wieder erkennen können:

Willi Resetarits etwa ist auf dem Bruckhaufen aufgewachsen und erzählt vom Kicken auf der Donauwiese. Was Donaufeld und Umgebung betrifft, so streifen die Erinnerungen der Interviewten u.a. sommerliche Essen und Badevergnügen in der Alten Donau beim „Birner“, das legendäre Schule schwänzen im Café „Fichtl“, morgendliches Schwimmtraining im Floridsdorfer Hallenbad, Kinobesuche im „Poppenwimmer“ beim Hoßplatz, einen Kleingarten in der Ichagasse, die Gärtnerei von Herrn Augustin Lechner an der Donaufelder Straße…

Manchmal scheint „die Zeit stehen geblieben zu sein“, doch viel öfter führen uns die Eindrücke in eine bereits „versunkene Welt“.

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