Zeitschrift der „Initiative Denkmalschutz“ deckt Bausünden in Floridsdorf auf

Im gesamten Donaufeld keine einzige Schutzzone

Einem soeben erschienenen Hintergrund-Artikel  ( Download hier ) der „Initiative Denkmalschutz“ über Stadtbildverluste in Floridsdorf ist zu entnehmen, dass es in Donaufeld (inklusive Mühlschüttel) keine einzige Schutzzone nach § 7 Wr. Bauordnung gibt.
Solche gibt es nämlich im 21. Bezirk lediglich in den alten Ortskernen von Stammersdorf, Strebersdorf, Großjedlersdorf und Leopoldau sowie in Teilbereichen des Ortskerns Jedlesee und in einem Teil des Gaswerks Leopoldau. Auch das Zentrum Floridsdorf fehlt übrigens in dieser Liste. Beschlossen wurden diese Zonen zwischen 1974 und 1999 vom Wiener Gemeinderat.

Wie Gerhard Jordan, Mitarbeiter des „GrünRaum Donaufeld“-Teams und Mitglied der „Initiative Denkmalschutz“, in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Denkma(i)l“ (Nr. 04/2010, Seite 16-21) aufzeigt, sind die Ortsbildverluste in Donaufeld und auf dem Mühlschüttel besonders stark.

Donaufeld war einst Teil der Gemeinde Leopoldau und bestand aus dem ab 1829 besiedelten Mühlschüttel (damals eine ellipsenartige Donauinsel ungefähr südlich des heutigen Kinzerplatzes) und dem ab 1860 entstandenen und stark wachsenden Arbeiterviertel Neu-Leopoldau im Bereich zwischen Leopoldauer Straße und Patrizigasse/Donaufelder Straße. 1881 wurde „Neu-Leopoldau und Mühlschüttel“ eine eigene Gemeinde, die 1886 in Donaufeld umbenannt wurde. Schon 1894 wurde Donaufeld der neu gegründeten Großgemeinde Floridsdorf angegliedert, die wiederum 1904/05 Teil des neuen 21. Wiener Gemeindebezirks wurde. 1938 kam ein Teil des Bruckhaufens südlich der Alten Donau (bis dahin Teil des 2. Bezirks) dazu. Zur knapp 5 Quadratkilometer großen Katastralgemeinde Donaufeld gehören außerdem noch der westliche Teil der bis heute großteils landwirtschaftlich genutzten Leopoldauer Haide (bis ungefähr zum westlichen Drygalskiweg bzw. zur Einfamilienhaussiedlung an der Alfred-Nobel-Straße), das einstige Industriegebiet östlich der Bessemerstraße (bis etwa Carminweg und Ichagasse), ein Teil der Siedlung an der Steinheilgasse, der Bereich westlich der Leopoldauer Straße um die Pilzgasse und an der Schnellbahn bis hinüber zu Lottgasse und Schleifgasse, der südliche Teil des Paul-Speiser-Hofs und der Donaubereich mit Neuer Donau, Donauinsel und der (schon zum 20. Bezirk gehörenden) Wasserfläche der Donau.

Jüngste Eingriffe

Die letzten Reste der alten Bausubstanz sind mittlerweile an einer Hand abzuzählen. Jüngste Eingriffe sind etwa der Abriss der ehemaligen Lohner-Werke (die 1876 an die Donaufelder Straße verlegt wurden und zuletzt Standort der Firma „Bombardier“ waren), bei dem nicht eine einzige der alten Werkshallen bewahrt wurde, und die am 27. Jänner 2010 im Gemeinderat von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossene Umwidmung eines Bereiches östlich der Scheffelstraße von einer beschränkten Bauklasse I auf Bauklasse III. Die zulässige Traufenhöhe der Häuser steigt somit von 4,5 auf 16 Meter!

Der mangelnde Ensembleschutz hat mit der Zeit dazu geführt, dass in Donaufeld und auf dem Mühlschüttel ebenerdige Häuser neben Neubauten in der Bauklasse III wie „Störfaktoren“ wirken und wohl auch bald, spätestens beim nächsten BesitzerInnen-Wechsel, lukrativeren Projekten unter voller Ausnutzung der erlaubten Kubatur Platz machen werden. Beispiele solcher „Fremdkörper“ sind etwa die ebenerdigen Häuser in der Schenkendorfgasse 8, 12 und 32 oder die gründerzeitliche Häusergruppe Mengergasse 42-48. Auf dem Mühlschüttel ist zu hoffen, dass kleinere Ensembles wie etwa der Bereich Theodor-Körner-Gasse 11-17 (mit einem Jugendstil-Haus aus 1907 in der Mitte) erhalten bleiben. Der Altbestand in der südlichen Mühlschüttelgasse ist glücklicherweise durch eine Bauklasse I-Widmung mit 4,5 Metern Höhenbeschränkung großteils gesichert, ebenso wie im nördlichen Donaufeld das Ensemble Nr. 49ff am östlichen Ende der Siegfriedgasse. Doch die ebenerdigen Mühlschüttel-Häuser Rautenkranzgasse 35 bis 41, westlich des Freiligrathplatzes, sind leider dem Untergang geweiht: Der ÖVP-nahe Bauträger ÖVW preist bereits neue Wohnungen an, die Bauklasse II erlaubt dort ein Mehrfaches an Höhe (bis zu 12 Meter Traufenhöhe).

Auf einem großen Teil der Leopoldauer Haide (dem Gebiet zwischen Fultonstraße, Donaufelder Straße, Dückegasse, Drygalskiweg und Alter Donau) besteht derzeit eine Bausperre, da hier die Errichtung von rund 4.000 Wohnungen geplant ist. An den Rändern, z.B. am Beginn der Gasse An der Schanze, wurde und wird zum Teil bereits gebaut. Hier ist es weniger die alte Bausubstanz, die gefährdet ist, als vielmehr die Landschaftsstruktur mit ihren für die Nahversorgung bedeutenden Gärtnereien.

Es besteht jedenfalls Handlungsbedarf

Bei kleineren zusammenhängenden Ensembles im Bereich Donaufeld/Mühlschüttel und bei erhaltenswerten (ebenerdigen) Alt-Objekten sollte entweder die Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt oder eine Rück-Widmung auf 4,5 Meter (d.h. gemäß dem Bestand) überlegt werden.

Dies könnte vielleicht in Einzelfällen Spekulationskäufe verhindern und ermöglichen, dass auch einige der letzten Reminiszenzen an die Siedlungsgeschichte des 21. Bezirks außerhalb der historischen Ortskerne bewahrt bleiben.

Infos über die „Initiative Denkmalschutz:  http://www.idms.at/

Konzept für eine  Schutzzone Am Spitz und Umgebung (Vorschlag Februar 2011) – unterstützt vom Bauausschuss der Bezirksvertretung Floridsdorf am 21. Februar 2011.

Schutzzone Am Spitz – Beitrag Konzept  (Zeitschrift „GrünRaum Floridsdorf“, März 2011, Seite 3)

Schutzzone Am Spitz – Beitrag im Bezirksjournal  (Ausgabe Wien-Nord, Woche 10/2010, Seite 2)


BILDDOKUMENTATION

Schenkendorfgasse 8-12 (OBEN) und Schenkendorfgasse 32 (UNTEN): ebenerdige Häuser in Bauklasse III – wie „Fremdkörper aus einer anderen Epoche“.


Gründerzeitliche Häusergruppen in Donaufeld (OBEN: Mengergasse 42-48, Blick gegen Westen) und auf dem Mühlschüttel (UNTEN: Theodor-Körner-Gasse 11-17, Blick Richtung Kinzerplatz).


Blick von der Prießnitzgasse in Richtung Obere Alte Donau:  Die ersten beiden ebenerdigen Häuser (Prießnitzgasse 6 und Mühlschüttelgasse 1) liegen in der Bauklasse III, das Haus Mühlschüttelgasse 2 (ganz rechts) in Bauklasse I mit 4,5 m- Höhenbeschränkung.


Ebenerdige Ensembles

– in Donaufeld (OBEN: Siegfriedgasse 49 und Häuser östlich davon) mit bestandgemäßer Widmung

– sowie auf dem Mühlschüttel (UNTEN: Rautenkranzgasse 35-41, vom Freiligrathplatz gesehen, rechts im Hintergrund Turm der Donaufelder Pfarrkirche) mit Bauklasse II-Widmung, vom Abriss bedroht.


Randbereich der großteils noch landwirtschaftlich genutzten Leopoldauer Haide (Blick von An der Schanze 5 nach Osten):
Auftakt zum Bau von 4.000 Wohnungen oder doch noch Besinnung auf den Wert vorhandener Nahversorgung mit Lebensmitteln?

2 Kommentare zu “Zeitschrift der „Initiative Denkmalschutz“ deckt Bausünden in Floridsdorf auf

  1. Ich wohne heuer das 25. Jahr in Donaufeld. In dieser Zeit hat sich sehr viel zum Nachteil verändert. Mir ist leid um jedes alte, kleine Haus, das verschwindet, um einem „Fremdkörper“ in Form eines unpersönlichen Blocks zu weichen, der überall stehen könnte und nichts mit dem eigentlichen Ortsbild mehr zu tun hat.
    Schon 1992 hat mir ein zuständiger Herr am Bauamt gesagt, man könne sich unsere Wohngegend nur noch gut in Erinnerung behalten oder alles fotografieren (was ich leider nicht getan habe), denn es sollte sich viel ändern. 1985 sind auf einer Wiese am Anfang der Theodor Körner-Gasse noch Pferde herumgelaufen, wir hatten Greißler und kleine Geschäfte im Umkreis des Kinzerplatzes, und die Scheffelstraße hatte einen ganz anderen Verlauf.
    Ich stelle es mir auch mancherorts für die Bewohner der noch bestehenden, alten, kleinen Häuser ungut vor, rundherum „eingemauert“ zu sein mit dem Ausblick auf hohe Betonwände.
    Obwohl schon viel verschandelt ist, sollte man retten, was noch zu retten ist!

  2. Ich habe selbst ein kleines Haus, den ehemaligen Hintertrakt in der Mengergasse 14, welcher ursprünglich einstöckig war, aber in den 50-er Jahren aufgestockt wurde. Der Vordertrakt Mengergasse 14 wurde wohl im 2. Weltkrieg durch eine Bombe zerstört.

    Im Jahr 2010 haben wir beim Kanalgraben Folgendes gefunden: Klavier-Teile, Geschirr, Zierteller, Tintenfläschchen, Knochen, Brille, und vor allem Medikamentenflaschen und Injektionsfläschchen.

    Es scheint, dass in der Mengergasse 14 bis Ende des 2. Weltkrieges ein Arzt ordiniert hat. Dann jedoch wurde das Haus zerstört. WEISS JEMAND ETWAS DARÜBER? WEISS JEMAND ETWAS ÜBER EINEN BOMBENTREFFER IN DER MENGERGASAE 14 ?

    Petra Klar
    petra.klar@chello.at

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